Zur Landesfrühjahrstagung des Landesverbandes der Egerländer in Hessen konnte Landesvüarstäihare Gerlinde Kegel rund 30 Teilnehmer in Limburg-Linter begrüßen. Sie vertraten 7 der 13 Gmoin des hessischen Landesverbandes. Allen Teilnehmern war die Freude über das persönliche Wiedersehen nach so langer Zeit anzusehen.

Gerlinde Kegel und Landesjugend-Führerin Mona Hafer informierten zum Beginn über aktuelle Entwicklungen des Landesverbandes Hessen. Hier stehen im kommenden Jahr zwei Jubiläen an: der Landesverband wurde am 4. Oktober 1953, die Egerland-Jugend am 4. September 1953 gegründet. Eingeladen wurde noch mal zum 50. Bundestreffen der Egerland -Jugend vom 13.- 15. Mai in Marktredwitz und Elbogen. Leider ist es dem Landesverband, trotz vorheriger Zusagen, nicht gelungen einen Bus aus Hessen zu dieser Veranstaltung zu entsenden. Der Landesverband hat sein Landestreffen mit Gottesdienst und Brauchtums-Nachmittag am 18. September in Lich. Die Landesarbeitstagung am 3. Oktober wird voraussichtlich in Hungen stattfinden.

Das informative Programm mit dem Zentralthema „Egerländer Musikanten“ hat Landeskulturwart Jürgen Zuber bereits für die Frühjahrstagung 2020 zusammengestellt. Die in Hessen geltenden Corona-Regeln machten erst jetzt die Durchführung der Veranstaltung möglich. Aber die einzelnen Themen haben erfreulicherweise nichts an Aktualität und Informationswert eingebüßt.

Den Auftakt übernahm Mona Hafer (Gmoi Dillenburg – Fotoreihe links) mit einem von Felix Mückstein (Gmoi Hungen) ausgearbeiteten Thema über „Die Egerländer – von der Vertreibung 1945 bis heute“. Es war dem Vorstand wichtig, aufzuzeigen, dass in den Schulen mittlerweile Arbeiten zum Thema „Vertreibung“ etabliert sind. Das Thema „Vertreibung“ ist kein verschwiegenes Thema mehr, sondern ein Thema, das im Schulunterricht behandelt wird. Der Beitrag von Felix Mückstein, als Hausarbeit für die Zulassung zur Präsentationsprüfung, steht somit beispielhaft für zunehmende Zahl von Veröffentlichungen dazu.

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zählte das Egerland zum Staatsgebiet Österreich-Ungarns. Der verlorene Krieg führte zum Verlust von Gebieten und zur Gründung der Tschechoslowakei, deren Bestandteil das Egerland damals wurde. Diverse politische Entwicklungen und Spannungen zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung gipfelten in der Vertreibung, mit der die über 900 Jahre lange Besiedlung durch die Deutschen ein plötzliches Ende fand. Mückstein erläuterte kurz mehrere der 143 Beneš-Dekrete, in deren Folge bis 1947 rund 2,9 Millionen Deutsche gewaltsam vertrieben wurden. 1946 begann der Bahn-Transport nach verschiedenen Endbahnhöfen in Deutschland. Hier dienten hauptsächlich die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg zur Aufnahme der Egerländer. Nach einiger Zeit fanden sich die Egerländer in Gmoin wieder zusammen. Der hessische Landesverband wurde 1953 gegründet. Aktivitäten wie Tanzen, Singen und Mundart sprechen sind heute noch Bestandteil der Gmoin. Am Beispiel der Heimatvertriebenen, wie auch der Egerländer, lässt sich zugleich aufzeigen, wie eine gelungene Integration aussieht. Das gibt uns Hoffnung für die aktuelle Situation in Europa.

Landes-Kulturwart Jürgen Zuber (Gmoi Limburg – Fotoreihe Mitte) informierte über die „Entstehung/Entwicklung der Egerländer Kurkapellen“. Die Militärmusik der alten Donaumonarchie gilt als Ursprung für alle heutigen Blasmusikkapellen in Österreich, Böhmen, Ungarn und Bayern. Er verwies darauf, dass bereits in der Antike Blasinstrumente und Trommeln als Signal und Nachrichten-Übermittler dienten. Im Mittelalter entwickeln sich daraus zwei Hauptgruppen: Trommler und Pfeifer bildeten für die Fußgruppen das sogenanntes „Spil“ (als Ausgangspunkt für den heutigen Begriff „Spielmannszug“). Pauker und Trompeter übernahm die Unterstützung der Kavallerie. Der heute noch gebräuchliche „Schellenbaum“ und weitere Instrumente kamen später dazu.

In der k. u. k.  Monarchie Österreich-Ungarns galt das Territorialprinzip, wonach jeder Region ein Regiment zugeteilt war. Für die Egerländer war es das k. u. k. Infanterie-Regiment Nummer 73. Es bestand aus drei Bataillonen in Prag und dem vierten in Eger stationierten Bataillon. Der Regimentsmarsch wurde zur Hymne des Egerlandes.

Offiziell bildeten 43 Musiker die festgelegte Besetzung einer Militärkapelle, aber Abweichungen waren üblich. Die Militärkapellmeister waren Zivilisten mit einem Dienstvertrag. Die Kosten für ihr Gehalt und die allgemeinen Kosten der Militärkapelle (Instrumente, Noten usw.) wurde als Umlage vom Gehalt der Offiziere abgezogen. Offensichtlich um die Einkünfte der Musiker zu steigern und die Umlage zu senken wurden ab den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts auch private Verpflichtung angenommen. Dies erforderte eine Erweiterung der Instrumente um Streichinstrumente um den geänderten Anforderungen zu genügen. In den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie nahmen die privaten Auftritte einen sehr großen Umfang an.

Mit dem Aufkommen von Kuren und Sommerfrische-Reisen entwickelte sich zum einen der Ausbau der Kurorte und zum anderen wollte jeder dieser Orte über eigene Musikensembles und/oder Kapellen verfügen. Zuber verwies darauf, dass Kurorte wie Franzensbad, Karlsbad und Marienbad eigene Kurorchester hatten. Diese bestehen zum Teil noch heute. In vielen Kurorchestern fanden auch ehemalige Militärmusiker eine neue Anstellung. Am Beispiel der Egerländer Kapellmeister und Komponisten Josef Labitzky und seinem Sohn August Labitzky zeigte er Werdegänge und die Vielfalt der Wirkungen von Kapellmeistern. Den Abschluss seines Vortrags bildete eine historische Bilderschau von Egerländer Kurkapellen.

Als der wohl bekannteste Egerländer Musiker unserer Zeit gilt Ernst Mosch. Anlässlich seines 20. Todestages am 15. Mai 2019 hatte es sich Gerti Hirsch (Gmoi Offenbach – Fotoreihe Rechts) zur Aufgabe gemacht, über Leben und Werk dieses „Vollblutmusikers“ zu berichten. Am 7. November 1925 wurde Ernst Mosch als erstes Kind des Bergmanns Andreas Mosch und seiner Ehefrau Alpine geboren. Als Ernst Mosch sieben Jahre alt war, verunfallte sein Vater bei einem Grubenunglück und wurde Invalide. Danach handelte er mit Milch und Brot in Zwodau. Sein Sohn Ernst übernahm das Ausliefern der Waren. Mit acht Jahren spielte er bereits das Flügelhorn im Falkenauer Jugendblasorchester. Zwar wollte Ernst Mosch Musiker werden, arbeitete zunächst aber als Mechaniker und Maler. 1940 bewarb er sich an der städtischen Musikschule in Ölsnitz im Vogtland. Dort lernte er Flügelhorn und Geige sowie – heimlich – Posaune. Es folgt der Kriegsdienst ab 1943. Zunächst als Panzergrenadier eingesetzt, landet er auf Empfehlung und  Vorspiel auf der Posaune bei der Militärmusik.

1945 heiratete er seine Frau Lydia, eine „Landverschickte“ aus Herne, die es nach Falkenau verschlagen hatte. Drei Töchter entstanden aus dieser Ehe. Noch in 1945 floh Mosch nach Bayern. Sein neuer Gelderwerb waren Auftritte mit Jazzmusik in amerikanischen Clubs. 1946 war er Teil der „Originalkapelle Egerland“ unter der Leitung von Rudi Kugler. Nach weiteren Stationen folgte 1951 die Stelle als Erster Posaunist im Orchester von Erwin Lehn. Damit verbunden waren zahlreiche Auftritte für den Süddeutschen Rundfunk sowie in Monte Carlo, Brüssel, Venedig usw. Bereits beim Bundespresseball 1955 in Bad Neuenahr waren seine späteren Weggefährten Franz Bummerl und Gerald Weinkopf dabei.

Seine Sehnsucht nach einer echten Polka wie zu Hause führte zur Gründung der „Original Egerländer Musikanten“ am 21. April 1956. An diesem Abend spielten zwölf Musiker „Rauschende Birken“, „Fuchsgraben-Polka“ und andere Lieder. Körbeweise begeisterte Zuschriften führten zu einem Plattenvertrag mit der Telefunken-Plattenfirma und der Erweiterung der Besetzung auf 18 Musiker. 1960 gab es die goldene Schallplatte für „Rauschende Birken“. Zu diesem Zeitpunkt konnte man nicht ahnen, dass 40 erfolgreiche Jahre eines Blasmusikorchesters begonnen hatten. Gerti Hirsch zeigt anhand von vielen Stationen aus diesen 40 Jahren wesentliche Höhepunkte auf. Dazu gehören unter anderem die erfolgreiche USA-Tournee in 1966, die erste Platin-Schallplatte für 10 Millionen verkaufter Schallplatten in 1973, sowie Fernsehsendungen im ZDF. Unvergessen ist das vielschichtige, von hoher Qualität zeugende Klangbild des Orchesters. Auch der unnachahmliche Gesang von Ernst Mosch und Franz Bummerl, Barbara Rosen und Helga Reichel bleibt in Erinnerung.

)Den Abschluss des informativen Teils bildete ein Film über Kreis und Stadt Tachau im Egerland. Hier kamen auch Zeitzeugen der Vertreibung zu Wort.

Im Rahmen der Frühjahrstagung ergab sich endlich die Gelegenheit zwei verdiente Mitglieder der Gmoi Braunfels, Doris Rücker und Claudia Möbius, für ihre langjährigen Verdienste zu ehren. Beide sind über 30 Jahre im Braunfelser Vorstand aktiv und haben vielfältige Aufgaben übernommen. Das Vorstandsmitglied des Bundes, Wolfgang Jordan, zeichnete sie mit Bundesehrenzeichen als Dank für ihre geleistete ehrenamtliche Arbeit aus. (Im Bild v.l.: Matthias Bender, Doris Rücker, Wolfgang Jordan, Claudia Möbius, Gerlinde Kegel)

Mit Gedichtvorträgen von Jürgen Zuber, Gerlinde Kegel und Hilda Hain (Gmoi Dillenburg) endete die informative Frühjahrstagung.

Bericht und Bilder: Hans-Jürgen Ramisch, Öffentlichkeitsarbeit, Landesverband Hessen